Veranstaltungen – Sachverständigenrat

Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, Rassismus bekämpfen: Einstellungen und Akzeptanz gegenüber migrationsbedingter Vielfalt

Fachgespräch zum SVR-Jahresgutachten am 5. Oktober 2021 in Stuttgart

Gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Freudenberg Stiftung lud der SVR am 5. Oktober Expertinnen und Experten aus Baden-Württemberg zu einem regionalen Fachgespräch nach Stuttgart ein. Prof. Panu Poutvaara PhD ., Mitglied des SVR, stellte hierbei das aktuelle Jahresgutachten „Normalfall Diversität? Wie das Einwanderungsland Deutschland mit Vielfalt umgeht“ vor.

Gesellschaften werden immer heterogener und vielfältiger; das zeigt die sozialwissenschaftliche Forschung der letzten Jahre und Jahrzehnte. Migration und die daraus resultierende Vielfalt ist dabei eine wichtige Dimension: Mittlerweile hat jede vierte Einwohnerin, jeder vierte Einwohner Deutschlands eine Zuwanderungsgeschichte. Damit stellen sich bestimmte Fragen: Welche Auswirkungen hat diese spezielle Facette von Heterogenität in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen? Wie handhaben gesellschaftliche Institutionen diese Heterogenität? Und vor allem: Wie kann vermieden werden, dass Diversität und Vielfalt in einer pluralen Gesellschaft – die mehrheitlich auch begrüßt wird – sich in (sozioökonomische) Ungleichheit übersetzt?


Das Jahresgutachten 2021 des Sachverständigenrats befasst sich mit dem Umgang und mit Diversität in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen: Politik, Arbeitsmarkt, Kultur. Und es schaut auf die Einstellungen der Bevölkerung zu migrationsbedingter Vielfalt, denn Migration erfordert auch Veränderung von den Teilen der Bevölkerung, die schon immer oder schon lange im Land ansässig sind.
In der deutschen Bevölkerung ist die Akzeptanz von Diversität gestiegen; das zeigen entsprechende Langzeitdaten. Zuwanderung wird danach zunehmend als Bereicherung empfunden, und Zugewanderten wird grundsätzlich das Recht auf Teilhabe zugesprochen. Dabei hat sich ein Selbstverständnis durchgesetzt, nach dem Zugewanderte Teil der deutschen Gesellschaft sind.

Zahlreiche Studien haben jedoch für verschiedene Bereiche nachgewiesen, dass dort Menschen wegen ihrer Herkunft diskriminiert werden. Besonders gut dokumentiert ist dies für den Wohnungsmarkt und den Ausbildungsmarkt. Von erlebter Diskriminierung berichten besonders häufig Personen, die nach eigenen Angaben nicht typisch deutsch aussehen, d. h. die aufgrund ihres Äußeren als ‚fremd‘ eingeordnet werden. Hier gibt es jedoch weiterhin hohen Forschungsbedarf.
Und auch wenn die Daten zeigen, dass ein klassischer Rassismus – also die Vorstellung, dass bestimmte Menschen von Natur aus minderwertig seien – kaum mehr Zustimmung findet, bedeutet das nicht, dass es rassistische Vorurteile und darauf basierende Diskriminierung nicht mehr gäbe. Subtilere rassistische Aussagen zu vermeintlich natürlicher Ungleichwertigkeit finden nach wie vor Zustimmung.

Der Blick auf die Einstellungen der Bevölkerung ergibt daher, wie Prof. Poutvaara hervorhob, ein gemischtes Bild: Zuwanderung wird zunehmend als Bereicherung empfunden und Vielfalt als Normalität gesehen, zugleich besteht weiterhin Forschungs- und vor allem Handlungsbedarf in Bezug auf Diskriminierung und Rassismus.


Frau Dr. Sarah Fuchs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freudenberg Stiftung, betonte in ihrem Kommentar, dass die zentrale Zukunftsperspektive Teilhabe für alle sein müsse. Konflikte und Kontroversen sollten in einer ehrlich geführten und offenen Debattenkultur erläutert werden. Hier setze auch die Freudenberg Stiftung an, der es nicht nur um die Stärkung der Teilhabe von Migranten- und Migrantinnen gehe, sondern um die Stärkung aller zivilgesellschaftlichen Institutionen, die sich diesem Thema verschrieben haben.

Frau Dr. Maja Pflüger, Teamleiterin Einwanderungsgesellschaft bei der Robert Bosch Stiftung, stellte heraus, das „superdivers das neue Normal“ sei. Diese Diversität führe allerdings nicht dazu, dass es keine rassistischen Ressentiments mehr gebe. Vor allem dem Alltagsrassismus müsse man begegnen und die Repräsentanz von Menschen mit Einwanderungsgeschichte in allen gesellschaftlichen Bereichen ausbauen.


Die anschließende vertrauliche Diskussion mit Teilnehmenden aus Landtag, Ministerien, Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft wurde von der SVR-Geschäftsführerin Dr. Cornelia Schu moderiert.

In der Diskussion bestand Konsens über den Ausgangsbefund, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, und im Hinblick auf den demographischen Wandel Zuwanderung auch essentiell sei. Eine gute Migrationssteuerung könne zu gelingender Integration ebenso beitragen wie frühe Integrationsangebote. Dabei dürfe die soziale Integration nicht vernachlässigt werden. Insgesamt wurde die Bedeutung einer engen Vernetzung von Politik, Wirtschaft und der kommunalen Integrationsarbeit auch durch zivilgesellschaftliche Akteure hervorgehoben. Ein Zusammenwirken unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen vor Ort sei zentral, aber auch das Aushalten von Kontroversen und Debatten, die zu pluralen Gesellschaften auch unabhängig von Zuwanderung dazu gehörten.

Präsentation Fachgespräch Süd – Prof. Panu Poutvaara

Markus Lux von der Robert Bosch Stiftung begrüßt die Teilnehmenden

Prof. Panu Poutvaara, Ph.D. stellte das aktuelle SVR-Jahresgutachten vor

Dr. Sarah Fuchs bei ihrem Kommentar aus Sicht der Freudenberg Stiftung

Dr. Maja Pflüger bei ihrem Kommentar aus Sicht der Robert Bosch Stiftung

Fotos: Robert Thiele / Robert Bosch Stiftung