Pressemitteilung - Sachverständigenrat

Gesetzentwurf gegen Armutszuwanderung stärkt Akzeptanz der EU-Freizügigkeit

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen Armutszuwanderung stärkt den Grundgedanken der EU-Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Selbständigen. Finanzhilfen für Kommunen mit hohem Anteil von EU2-Zuwanderern sind ein wichtiger Beitrag zur Integration der Neuzuwanderer. Die Wirksamkeit der Maßnahmen gegen Sozialmissbrauch ist differenziert zu betrachten.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht, eine Grundvoraussetzung der EU-Freizügigkeit zu stärken: das Mobilitätsversprechen für EU-Bürger innerhalb der EU ist daran gebunden, dass der zugewanderte Unionsbürger im EU-Mitgliedstaat erwerbstätig ist oder seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (z.B. Rente) bestreitet. „Diesen Grundgedanken in den Mittelpunkt zu rücken, ist zu begrüßen, auch angesichts der noch ausstehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in entscheidenden Fällen“, sagte die SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Christine Langenfeld. Der Gesetzentwurf trage daher zur Stärkung der Akzeptanz der EU-Freizügigkeit und der Europäischen Union bei.
„Eine Einwanderung in die Sozialsysteme durch EU2-Zuwanderer ist nach bisherigen Erkenntnissen die Ausnahme und nicht die Regel“, sagte Langenfeld. Ungeachtet dessen sei es aber legitim, eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu unterbinden, um die Akzeptanz der EU-Freizügigkeit als eines der Kernelemente des Binnenmarktes zu erhalten.

Nicht alle Maßnahmen des Gesetzentwurfs dürften allerdings die gewünschte Wirkung entfalten. „Das Instrument der Wiedereinreisesperre auf Betrugsfälle zu beschränken ist richtig. Da dies nur sehr wenige Fälle betrifft, wird diese Maßnahme in der Praxis wohl weitgehend ins Leere laufen“, sagte Langenfeld. Auch die Wirksamkeit der Befristung der Arbeitsuche müsse die Praxis erst erweisen. Künftig wird das mit der Arbeitsuche verbundene Aufenthaltsrecht grundsätzlich auf sechs Monate befristet, es sei denn, es besteht eine begründete Aussicht auch nach Ablauf dieser Frist noch eine Stelle zu finden, und wenn die Arbeitsuche nachgewiesen wird. Der Zeitraum von sechs Monaten steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Allerdings dürfte auch nach Ablauf der Frist von sechs Monaten keine unmittelbare Ausreisepflicht bestehen. Es verändert sich lediglich der Status des Unionsbürgers vom „Arbeitsuchenden“ zum „Nichterwerbstätigen“, dessen Aufenthaltsrecht gemäß der bisherigen EuGH-Rechtsprechung erst dann erlischt, wenn im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialleistungen festgestellt wurde. „Welche Kriterien hier anzulegen sind, ist freilich nicht eindeutig geklärt. Der Ball liegt hier beim Luxemburger Gericht, das aufgefordert ist, diese Kriterien so zu konkretisieren, dass die nationalen Behörden damit auch umgehen und gegebenenfalls den Verlust des Freizügigkeitsrechts feststellen können. Das ist die Voraussetzung dafür, eine bestehende Ausreisepflicht auch durchsetzen zu können. Der Erfolg oder Misserfolg des Gesetzes hängt daher in hohem Maße von der zukünftigen Rechtsprechung des EuGH und davon ab, ob der aufenthaltsrechtliche Ansatz des Gesetzes auch tatsächlich durchsetzbar ist“, sagte Langenfeld.

Eine wirkliche Neuerung stellt die Knüpfung der Zahlung von Kindergeld an eine Steueridentifikationsnummer dar. „Diese Maßnahme verspricht nicht nur, Missbrauch effektiv zu verhindern, sie stellt auch eine Verfahrensvereinfachung dar“, so Langenfeld. Zu begrüßen ist auch die verstärkte Bekämpfung von Scheinselbständigkeit. Dies dient vor allen Dingen auch dem Schutz von Unionsbürgern gegen ausbeuterische Praktiken auf dem Arbeitsmarkt.

Von zentraler Bedeutung sind die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen des Bundes für die Kommunen, die eine überdurchschnittlich starke Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien verzeichnen. Mit diesen zusätzlichen Finanzmitteln können die Kommunen Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem in die Wege leiten.

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Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Christine Langenfeld (Vorsitzende), Prof. Dr. Ludger Pries (Stellvertretender Vorsitzender) sowie Prof. Dr. Gianni D’Amato, Prof. Dr. Thomas K. Bauer, Prof. Dr. Wilfried Bos, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Prof. Dr. Ursula Neumann und Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan.