Veranstaltungen – Sachverständigenrat
Reformen, die wirken? Die Umsetzung von neuen Instrumenten der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen
Fachgespräch zum SVR-Jahresgutachten 2025 am 22. Oktober 2025 in Stuttgart
Gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Freudenberg Stiftung lud der SVR am 22. Oktober Expertinnen und Experten aus Baden-Württemberg zu einem regionalen Fachgespräch nach Stuttgart ein. Prof. Panu Poutvaara, Ph.D. Mitglied des SVR, präsentierte hierbei das aktuelle SVR-Jahresgutachten „Reformen, die wirken? Zur Umsetzung von aktuellen Migrations- und Integrationsgesetzen“.
In seinem Vortrag stellte Prof. Poutvaara die zentralen Ergebnisse und Empfehlungen des Gutachtens zum Thema Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vor. Er wies eingangs auf das Spannungsfeld zwischen Rechtsetzung und Umsetzung hin. Zwar habe die Politik im Bereich Migration und Integration außerordentlich viele Veränderungen auf den Weg gebracht. Zugleich hinke die Umsetzung von Gesetzen durch die Verwaltungen in Bund und Ländern noch hinterher. Gute Gesetzgebung denke die Umsetzung mit und beziehe die Praxis in Praxischecks ein; zudem dürfe das Personal in den ausführenden Behörden nicht überlastet werden. Schnelligkeit sei also nicht alles.
Um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu beschleunigen, habe die Bundesregierung im Herbst 2023 den Job-Turbo auf den Weg gebracht. Kernelement des Programms ist die Förderung eines frühen Berufseinstiegs, auch in unqualifizierte Tätigkeiten, ohne aber die vorausgehende sprachliche Qualifizierung aufzugeben. Während intensivierte Beratungsaktivitäten für die Jobcenter ein verpflichtendes Element sind, liegt der Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen im Ermessen der kommunalen Behörden, und werde daher unterschiedlich intensiv bei der Zielgruppe eingesetzt. Inwiefern sich die seit 2024 steigenden Erwerbsquoten bei der Zielgruppe unmittelbar auf das Bundesprogramm zurückführen lassen, könne empirisch noch nicht nachvollzogen werden.
Danach umriss Prof. Poutvaara noch kurz das Chancen-Aufenthaltsrecht, das es Geduldeten ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen ihren Aufenthalt zu regularisieren. Er wies darauf hin, dass das Gesetz für die Betroffenen grundsätzlich attraktiv gestaltet sei und die als Brücke in einen nachhaltigen Aufenthalt konzipierte Option viel Nachfrage gefunden habe. Allerdings seien bislang noch wenige Betroffene in die Anschlussnormen übergegangen.
Suzana Hofmann vom Welcome Center Stuttgart kommentierte, dass für die Praxis ein Portfolio an Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten wichtig sei, um auf individuelle Bedarfe zu reagieren. Es fördere den Spracherwerb, wenn Personen die Sprache möglichst rasch bei der Arbeit parallel anwenden können.
Bernd Richter, Geschäftsführer der Richter lighting technologies GmbH, berichtete aus dem Alltag eines Unternehmens mit Mitarbeitenden aus 32 Ländern, darunter auch Flüchtlinge. Zentral sei die Arbeit an einem gemeinsamen Ziel und die hohe Motivation aller Beteiligten sowie eine klare Wertebasierung als Fundament. Auch er betonte, dass Deutschlernen leichter falle, wenn der Kontext gegeben ist; in ihrem Unternehmen sei auch eine überbrückende Kommunikation auf Englisch oder in anderen Sprachen möglich und üblich. Das Unternehmen bietet Deutschkurse an und unterstützt die Mitarbeitenden bei der Wohnungssuche.
Die anschließende vertrauliche Diskussion mit den Teilnehmenden aus Politik, Wissenschaft, Kommunen, Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft wurde von der SVR-Geschäftsführerin Dr. Cornelia Schu moderiert.
In der Diskussion bestand Konsens, dass Spracherwerb und Arbeit Hand in Hand gehen können und man sich nicht zwingend auf eine Seite im Sinne eines „Sprache zuerst“ oder „Arbeit zuerst“ schlagen müsse – der Job-Turbo Ansatz wurde insofern befürwortet. Zudem seien die Anforderungen an die Deutschkenntnisse je nach Arbeitsfeld unterschiedlich, die Sprache sei aber für die soziale Integration auf die Dauer wesentlich. Netzwerke seien häufig ein zentraler Faktor, wenn es darum geht, Flüchtlinge in (gute) Arbeit zu vermitteln. Hinsichtlich der hinterherhinkenden Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen spielten Möglichkeiten der Kinderbetreuung eine Rolle, aber auch Teilzeitangebote, die es noch zu wenig gebe. Niedrigschwellige Zugänge über Vereine und Migrantenorganisationen könnten eine wichtige Brücke sein; zudem sollten die Jobcenter stärker auch Frauen beraten, unabhängig davon, ob ihre Ehemänner in Arbeit sind. Mehrfach wurde deutlich, dass bürokratische Hürden die Arbeitsmarktintegration bisweilen hemmen, aber auch die öffentliche Stimmung und Debattenlage sich negativ auswirkt – und nicht zuletzt auch (künftige) Fachkräfte abschreckt. Dabei zeigten Beispiele aus der Praxis, wie Unternehmen mit Mitarbeitenden aus vielen Ländern erfolgreich arbeiten können, wenn alle an einem Strang ziehen.
Dr. Raphaela Schweiger von der Robert Bosch Stiftung GmbH begrüßt die Teilnehmenden.
Prof. Dr. Panu Poutvaara, SVR, stellt das Jahresgutachten 2025 vor.
Suzana Hofmann, Welcome Center Stuttgart, berichtet aus der Arbeit mit Geflüchteten.
Bernd Richter, Richter lighting technologies GmbH, berichtet aus dem Alltag seines Unternehmens.
Dr. Cornelia Schu, SVR gGmbH, moderiert das Fachgespräch.
Weitere Eindrücke aus dem Fachgespräch.
Fotos: SVR/ Verena Müller












