Presseinformation – Wissenschaftlicher Stab

Eine Frage des Vertrauens: Warum die Bundeswehr mehr Menschen mit Migrationshintergrund braucht

Um ihrer gestiegenen sicherheitspolitischen Bedeutung gerecht werden zu können, benötigt die Bundeswehr zusätzliches Personal. Potenzial für eine Rekrutierung besteht bei Personen mit Migrationshintergrund. Sie bringen der Bundeswehr ein besonders hohes Vertrauen entgegen, wie Daten des SVR-Integrationsbarometers 2024 zeigen, die der wissenschaftliche Stab des SVR in einer neuen Publikation ausgewertet hat. Dies gilt besonders für die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen.

Berlin, 16. Oktober 2025. Die Bundeswehr genießt bei Menschen mit Migrationshintergrund hohes Vertrauen: Rund acht von zehn Befragten mit Migrationshintergrund geben an, der Bundeswehr „voll und ganz“ oder „eher“ zu vertrauen (77 Prozent). Bei Menschen ohne Migrationshintergrund sagen dies nur 68 Prozent, wie die Befragung zum SVR-Integrationsbarometer 2024 zeigt, das erstmals das Vertrauen in die Bundeswehr erfasst hat. Die Bundeswehr steht nicht zuletzt seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und einer veränderten geopolitischen Lage vor der Herausforderung, die Verteidigungsfähigkeit des Landes wieder zu steigern. Dazu gehört auch, die Truppenstärke deutlich zu erhöhen. Laut dem Verteidigungsminister ist ein Aufwuchs von derzeit etwa 180.000 Soldatinnen und Soldaten auf bis zu 260.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2035 geplant – eine Herausforderung angesichts des demografischen Wandels.

Bislang sind Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr unterrepräsentiert: Ihr Anteil beträgt laut einer Studie nur 8,9 Prozent. Dem gegenüber stehen rund 13 Millionen Menschen oder 15,7 Prozent der Gesamtbevölkerung, die einen Migrationshintergrund und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und somit grundsätzlich für den Eintritt in die Bundeswehr infrage kämen. „In der Bevölkerung mit Migrationshintergrund kann die Bundeswehr auf eine stabile Vertrauensbasis bauen. Dieses Vertrauen kann die Bereitschaft erhöhen, in die Bundeswehr einzutreten“, so Dr. Fabian Gülzau, stellvertretender Leiter des Bereichs Forschung im wissenschaftlichen Stab des SVR, der die Daten ausgewertet und den Policy Brief verfasst hat. „Bei den 15- bis 24-Jährigen haben sogar fast drei von zehn der deutschen Staatsangehörigen einen Migrationshintergrund, das sind fast zwei Millionen Menschen. Junge Erwachsene stellen damit ein erhebliches Rekrutierungspotenzial dar, das die Bundeswehr noch besser nutzen könnte.“

Auch demokratie- und integrationspolitische Gründe sprechen dafür, die Diversität in der Bundeswehr zu steigern. „Wenn Streitkräfte breite Teile der Gesellschaft repräsentieren, erhöht dies ihre Legitimität und Akzeptanz“, sagt Dr. Gülzau. Zudem bringen Menschen mit Migrationshintergrund häufig besondere interkulturelle Kompetenzen und Sprachkenntnisse mit; das kann bei Auslandseinsätzen etwa bei der Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung hilfreich sein. Durch ihre Aufnahme in die Streitkräfte würde ihr Demokratieverständnis und Verantwortungsbewusstsein gestärkt. Und schließlich kann der Kontakt von Soldatinnen und Soldaten ohne Migrationshintergrund zu jenen mit Migrationshintergrund dem Policy Brief zufolge dazu beitragen, wechselseitige Vorurteile abzubauen.

Bemerkenswert an dem hohen Vertrauenswert für die Bundeswehr ist, dass er sich vor allem bei Menschen zeigt, die selbst zugewandert sind. Bei ihren in Deutschland geborenen Nachkommen haben sich die Einstellungen angeglichen, hier liegt das Vertrauen in die Bundeswehr bei 67 Prozent, und damit auf dem gleichen Niveau wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund. „Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr sollten sich daher an beide Gruppen richten“, empfiehlt Dr. Gülzau. „Menschen mit Migrationshintergrund stärker für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen, wäre ein wichtiges strategisches Signal, dass die Bundeswehr der gesellschaftlichen Vielfalt Rechnung trägt. Hierzu zählt auch die vom Verteidigungsministerium geplante Einführung einer muslimischen Militärseelsorge.“ Für Angehörige der beiden christlichen Konfessionen sowie seit 2021 auch für Personen jüdischen Glaubens gibt es bereits institutionalisierte Ansprechpersonen. Frankreich und die Niederlande haben eine muslimische Militärseelsorge bereits 2005 bzw. 2009 eingerichtet.

Der SVR-Policy Brief „Eine Frage des Vertrauens: Warum die Bundeswehr mehr Menschen mit Migrationshintergrund braucht“ kann hier heruntergeladen werden.

Die Presseinformation steht unter diesem Link zum Download zur Verfügung.

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