Veranstaltungen – Sachverständigenrat

Bildungsintegration von Flüchtlingen

Fachgespräch zum SVR-Jahresgutachten am 29. November 2017 in Dresden

Die Teilhabe an Bildung ist für eine erfolgreiche Integration zentral. Da ein Großteil der Flüchtlinge vergleichsweise jung ist, stellt die Fluchtzuwanderung der letzten Jahre vor allem die verschiedenen Bereiche unseres Bildungssystems vor Herausforderungen. Auf gesetzlicher Ebene wurde die frühkindliche, schulische, berufliche und hochschulische Bildung in Deutschland inzwischen in beachtlichem Ausmaß für Flüchtlinge geöffnet. Trotzdem gibt es weiterhin strukturelle, kulturelle und organisationspolitische Hindernisse, die den Zugang zu Bildung erschweren. Obwohl also die Rechtslage insgesamt fortschrittlich ist, könnten sich die integrationspolitischen Versäumnisse der Vergangenheit wiederholen. Daher sollten Bildungseinrichtungen und bildungspolitische Akteure den Zugang zu Bildung für Flüchtlinge weiter erleichtern. Der SVR hat in seinem aktuellen Jahresgutachten verschiedene Vorschläge hierzu gemacht.

Am 29.11.2017 stellte die Sachverständige Prof. Dr. Claudia Diehl diese Vorschläge bei einem Fachgespräch in Dresden, Entscheidungsträgern aus Politik, Verbänden und Zivilgesellschaft vor. Sie betonte dabei, dass frühkindliche Bildung einen großen Einfluss auf den späteren Bildungserfolg habe. Eine hochwertige Betreuung und ein geregelter Kita-Alltag könnten zudem psychischen Störungen vorbeugen, die als Folge von Flucht überdurchschnittlich häufig auftreten. Vielen Flüchtlingskindern bietet die Kindertageseinrichtung (oder die Tagesmutter) ein Stück Normalität, das sie über Monate vermisst oder aufgrund von ständigen Umzügen und traumatischen Erlebnissen nie kennengelernt haben. Flüchtlingskinder haben einen Anspruch auf einen Kitaplatz, in der Praxis bestünden jedoch nach wie vor zahlreiche Hürden. Hier gelte es, so Diehl, die Eltern besser über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren, bürokratische Hürden bei der Beantragung eines Kitaplatzes zu verringern, mehr Kitaplätze für alle zu schaffen und nicht zuletzt, das Erzieherpersonal besser für die Arbeit mit Flüchtlingsfamilien zu schulen.

Ähnliche Herausforderungen bestehen auch im Bereich der schulischen Bildung. Ein Schulzugang muss in der Regel spätestens drei Monate nach Stellung eines Asylantrags gewährt werden; die Praxis sieht zum Teil jedoch deutlich anders aus. Prof. Diehl machte weiterhin darauf aufmerksam, dass die Integration von Flüchtlingskindern im föderal strukturierten deutschen Schulsystem sehr unterschiedlich gehandhabt wird, es bislang jedoch kaum belastbare Erkenntnisse dazu gibt, mit welchen Beschulungsmodellen und unter welchen örtlichen Gegebenheiten Flüchtlinge am ehesten erfolgreich lernen. Hier sieht der SVR Nachholbedarf.

Fast ein Drittel der Flüchtlinge, die zwischen 2015 und 2017 einen Asylantrag gestellt haben, befindet sich im Ausbildungsalter (16 bis 25 Jahre). Dem Thema berufliche Bildung als zentraler Voraussetzung für eine spätere Erwerbstätigkeit kommt deshalb eine besondere Rolle zu. Da für viele Flüchtlinge ein großer Zielkonflikt zwischen dem Wunsch nach Bildung und Qualifizierung und dem Wunsch und der Notwendigkeit, rasch finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, bestünde, macht der SVR den Vorschlag, die berufliche Ausbildung zu modularisieren. Prof. Diehl betonte, dass ein solches Modell nicht nur für Geflüchtete, sondern beispielsweise auch für Langzeitarbeitslose sinnvoll sei.

Auch beim Hochschulzugang sieht der SVR noch Hürden. Diese liegen zum einen bei den Hochschulen selbst, die zwar auf internationale Studierende, nicht jedoch auf Flüchtlinge eingestellt sind. Bislang hätten, so Diehl, nur wenige Hochschulen interne Handlungsanweisungen für die Arbeit mit Flüchtlingen erlassen. Entsprechend groß sei die (empfundene) Rechtsunsicherheit in diesem Bereich. Obwohl das Studium gebührenfrei ist, stellt zum anderen die Studienfinanzierung eine besondere Herausforderung dar. Die anfallenden Kosten für Lernmaterialien und Lebenshaltung können nur wenige Flüchtlinge ohne staatliche Transferleistungen selbst aufbringen. Sobald sie aber ein Studium aufnehmen, entfällt ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Zwar können die meisten Flüchtlinge spätestens 15 Monate nach der Einreise BAföG-Leistungen beantragen. Diese werden aber nur bewilligt, wenn sie ihren Förderbedarf eindeutig nachweisen können. Dieser Nachweis bedeutet schon für Einheimische einen hohen bürokratischen Aufwand. Zudem kann ein BAföG-Antrag erst gestellt werden, wenn eine Studienplatzzusage vorliegt.