Veranstaltungen – Sachverständigenrat
Reformen, die wirken? Die Umsetzung von neuen Instrumenten der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen.
Digitale Fachkonferenz zur Vorstellung des SVR-Jahresgutachtens 2025 am 25. Juni 2025
Am 25. Juni hat der SVR das neue Jahresgutachten mit dem Titel „Reformen, die wirken? Die Umsetzung von aktuellen Migrations- und Integrationsgesetzen“ einem breiten Fachpublikum bei einer digitalen Fachkonferenz vorgestellt. Es nahmen gut 120 Interessierte aus Politik und Verwaltung, Wissenschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft bundesweit teil.
In den vergangenen Jahren hat die Politik in Deutschland viele gesetzliche Reformen vorgenommen, um auf Herausforderungen in den Bereichen Migrationssteuerung und Integrationsförderung zu reagieren. Der SVR hat die zahlreichen Gesetzgebungsakte in diesem Politikfeld zum Anlass genommen, sich in seinem Jahresgutachten, das im Mai 2025 vorgelegt wurde, mit der Umsetzung dieser Regelungen und ihrer praktischen Wirkung auseinanderzusetzen. Dabei geht das Gutachten auf die Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, Instrumente zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen wie den Job-Turbo sowie die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts als konkrete Fallbeispiele ein.
Zu Beginn der digitalen Fachkonferenz stellte Prof. Dr. Winfried Kluth, Vorsitzender des Sachverständigenrats, die zentralen Ergebnisse und Empfehlungen des Gutachtens zum Thema Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vor. Er wies eingangs auf das Spannungsfeld zwischen Rechtsetzung und Umsetzung hin. Zwar habe die Politik im Bereich Migration und Integration außerordentlich viele Veränderungen auf den Weg gebracht. Zugleich hinke die Umsetzung von Gesetzen und Maßnahmen durch die Verwaltungen in Bund und Ländern oft hinterher, weil etwa Personal überlastet sei. Gute Gesetzgebung denke die Umsetzung mit; Schnelligkeit sei also nicht alles.
Um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu beschleunigen, habe die damalige Bundesregierung im Herbst 2023 den Job-Turbo auf den Weg gebracht. Kernelement des Programms ist die Förderung eines frühen Berufseinstiegs, auch in unqualifizierte Tätigkeiten, ohne aber die vorausgehende sprachliche Qualifizierung aufzugeben – diese ist ein Kernbestandteil des in Deutschland grundsätzlich verfolgten „Sprache zuerst“-Ansatzes. Während intensivierte Beratungsaktivitäten für die Jobcenter ein verpflichtendes Element sind, liegt der Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen im Ermessen der kommunalen Behörden, und werde daher unterschiedlich intensiv bei der Zielgruppe eingesetzt. Inwiefern sich die seit 2024 steigenden Erwerbsquoten bei der Zielgruppe unmittelbar auf das Bundesprogramm zurückführen lassen, könne zum aktuellen Zeitpunkt empirisch nicht nachvollzogen werden.
Danach umriss Prof. Kluth kurz das Chancen-Aufenthaltsrecht, das es Geduldeten ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen den Aufenthalt zu regularisieren. Er wies darauf hin, dass das Gesetz für die Betroffenen grundsätzlich attraktiv gestaltet sei und die als Brücke in einen nachhaltigen Aufenthalt konzipierte Option viel Nachfrage gefunden habe. Allerdings wären bislang noch wenige Betroffene in die Anschlussnormen übergegangen. Es sei daher wichtig zu analysieren, von welchen Faktoren eine gelingende Umsetzung abhängt.
Daran anschließend kommentierten Dr. Anna Robra, Abteilungsleiterin Arbeitsmarkt bei der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, und Oleksandra Bienert, Vorstandsvorsitzende der Allianz Ukrainischer Organisationen e.V. / CineMova Ukrainian Empowerment Network e.V., die vorgestellten SVR-Befunde zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten.
Dr. Robra berichtete über die Erfahrungen die Arbeitgeber mit dem Job-Turbo und anderen Instrumenten zur Förderung der Arbeitsmarktintegration Geflüchteter: Die Arbeitsmarktintegration von ausländischen Fach- und Arbeitskräften, darunter Geflüchtete, sei für die Arbeitgeber schon lange ein zentrales Thema. Der Job-Turbo habe ein Kernproblem des Arbeitsmarkts in den Vordergrund gerückt: Wie gelingt es, Arbeit Suchende erfolgreich auf die offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln? Diese Frage des Matchings sei nicht nur, aber auch bei Geflüchteten eine zentrale Herausforderung. Dass Deutschland mit dem Job-Turbo Elemente aus dem in anderen Ländern verfolgten „Arbeit zuerst“-Ansatz übernimmt, sei aus Arbeitgeberperspektive der richtige Weg. Dies schließe nicht aus, dass der Spracherwerb berufsbegleitend weiter gefördert wird und dass Menschen langfristig qualifikationsadäquat beschäftigt werden sollten. Wichtig sei hier, das Sprachkursangebot weiter bedarfsgerecht auszubauen. Welche Anforderungen die Arbeitgeber an die Sprachkenntnisse ausländischer Arbeits- und Fachkräfte stellen, hänge stark von den einzelnen Berufs- und Tätigkeitsfeldern ab. Für Arbeitgeber sei Planbarkeit von zentraler Bedeutung für die Beschäftigung gerade von Geflüchteten. Dass die EU-Mitgliedstaaten vor Kurzem beschlossen haben, den vorübergehenden Schutz für ukrainische Geflüchtete bis März 2027 zu verlängern, sei vor diesem Hintergrund grundsätzlich zu begrüßen. Wie es danach weitergeht, müsse unbedingt europäisch abgestimmt werden, auch um Sekundärmigration vorzubeugen.
Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist aus Sicht des BDA noch nicht so relevant, da bislang nur wenige Betroffene in die vorgesehenen Anschlussnormen übergegangen sind.
Oleksandra Bienert wies darauf hin, wie wichtig für die Betroffenen sei, dass bei der Arbeitsmarktintegration Geflüchteter am „Sprache zuerst“-Ansatz festgehalten werde, da die sprachliche und ggf. fachliche Qualifizierung im Sinne einer nachhaltigen Beschäftigung ist, die den eigenen Qualifikationen entspricht. Dazu müssten auch strukturelle Hürden der Arbeitsmarktintegration behoben werden, vor denen insbesondere geflüchtete Frauen stehen. Ein zentrales Hindernis für einen adäquaten Berufseinstieg seien langwierige und teure Anerkennungsverfahren.
Sie berichtete, dass der Job-Turbo in der ukrainischen Community zwar insgesamt positiv aufgenommen worden sei. Die verstärkte Vermittlung in Helfertätigkeiten unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation und außerhalb ihres Berufsfeldes biete vielen aber keine Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Sie schloss sich daher der Empfehlung des SVR an, qualifizierte Fachkräfte parallel zum Anerkennungsverfahren und einer Nachqualifizierung möglichst in Helfertätigkeiten in ihrem eigenen Berufsfeld zu vermitteln. Dazu brauche es gezielte Förderprogramme. Sie wies auch darauf hin, dass entsprechende Maßnahmen wie der Job-Turbo gut kommuniziert werden müssten, damit die Zielgruppen verstehen, worum es geht. Bei vielen Geflüchteten aus der Ukraine sei der Eindruck entstanden, dass das ausschließliche Ziel die möglichst schnelle Vermittlung in niedrigqualifizierte Tätigkeiten sei. Hier könnten die Behörden stärker mit Akteuren und Migrantenorganisationen zusammenarbeiten, die direkten Zugang in die Community ukrainischer Geflüchteter haben.
In der anschließenden Diskussion unter Beteiligung der Expertinnen und Experten aus dem virtuellen Publikum wurde erneut die Bedeutung der Anerkennungsverfahren als zentrale Hürde der Arbeitsmarktintegration hervorgehoben. Dr. Robra wies darauf hin, dass in vielen Fällen die Anerkennung keine Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist, das müsse bei den Arbeitssuchenden stärker bekannt gemacht werden. Die Arbeitgeber wie etwa KMU müssten nicht alle gesetzlichen Regularien im Detail kennen, um Geflüchtete zu beschäftigen, wichtig sei, dass sie hierüber im konkreten Fall von den Behörden informiert werden. Prof. Kluth ging zudem auf Nachfragen dazu ein, wie die vom SVR empfohlenen Praxischecks in der Migrations- und Integrationsgesetzgebung konkret ausgestaltet werden könnten. Einigkeit herrschte darüber, dass die Maßnahmen des Job-Turbos evaluiert werden sollten, um dessen Wirkung in der Praxis umfassend bewerten zu können, etwa zu der Frage, ob sich bei den rasch in den Arbeitsmarkt vermittelten Personen eine nachhaltige Beschäftigung ergeben hat.
Die Veranstaltung moderierte Dr. Cornelia Schu, Geschäftsführerin der SVR gGmbH.
Präsentation Digitale Fachkonferenz Jahresgutachten 2025 – Prof. Dr. Winfried Kluth
Oleksandra Bienert (AUO), Dr. Anna Robra (BDA), Prof. Dr. Winfried Kluth (SVR) und Dr. Cornelia Schu (SVR gGmbH).