Veranstaltungen – Sachverständigenrat

Möglichkeiten und Gestaltungsspielräume eines Einwanderungsgesetzes

Fachkonferenz anlässlich der Veröffentlichung des 9. SVR-Jahresgutachtens am 24.04.2018

Am 24. April 2018 stellte der SVR das neu erschienene Jahresgutachten mit dem Titel „Steuern, was zu steuern ist: Was können Einwanderungs- und Integrationsgesetze leisten?“ in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften einem breiten Fachpublikum vor. An der Fachkonferenz nahmen rund 180 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung, Verbänden und Zivilgesellschaft teil.

In seinem neuen Jahresgutachten stellt der SVR die Erwartungen, die mit der Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes verbunden sind, auf den Prüfstand und geht der Frage nach, was sich über ein solches nationales Einwanderungsgesetz (noch) regeln lässt. Die Sachverständigen liefern darüber hinaus konkrete Vorschläge, was in einem Einwanderungsgesetz, das den bestehenden rechtlichen Rahmen ggf. ablösen könnte, einer Neuregelung unterzogen werden könnte und sollte.

Ein Schwerpunkt der Überlegungen liegt auf dem Bereich der Erwerbsmigration. Die Frage der Fachkräftezuwanderung ist in der politischen Debatte zentral, sei es mit Blick auf den Fachkräftemangel oder unter dem Schlagwort ‚legale Zuzugswege‘. In diesem Bereich existieren außerdem gerade im Vergleich zu den überwiegend europarechtlich geregelten Bereichen Flucht/Asyl und Familie verhältnismäßig große Spielräume für die nationale Gesetzgebung. Die Gestaltungsspielräume und möglichen Auswirkungen eines Einwanderungsgesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt standen deshalb auch im Zentrum der SVR-Fachkonferenz. Ein solches Gesetz habe Signalfunktion nach innen wie nach außen, so Prof. Thomas Bauer.

Eröffnet wurde die Fachkonferenz von Rüdiger Frohn, Staatssekretär a.D. und Vorsitzender des Kuratoriums, der die Entwicklung des SVR in den letzten zehn Jahren hin zu einer starken Stimme in der Politikberatung würdigte.

In seinem einführenden Vortrag erläuterte der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Bauer die Vorschläge des SVR zur Neuregelung des Erwerbsmigrationsrechts. Die Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen zum Zweck der Erwerbstätigkeit bewege sich bisher auf einem geringen Niveau. Da Deutschland angesichts des Fachkräftemangels aber auf substanzielle Zuwanderung angewiesen sei, schlage der SVR vor, im Zuge eines Einwanderungsgesetzes die Regelungen für die Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte zu flexibilisieren. Dazu solle im Rahmen eines „Nimm 2+“-Modells der Gleichwertigkeitsnachweis, der bisher neben Arbeitsvertrag und Tätigkeit in einem Mangelberuf eine zentrale Voraussetzung für die Zuwanderung ist, durch andere Kriterien ersetzt werden können, die eine gute Integration erwarten lassen. Zudem solle auch für beruflich qualifizierte Fachkräfte die Möglichkeit der befristeten Einwanderung zur Arbeitssuche eingeführt werden. Bauer betonte, dass für individuelle Wanderungsentscheidungen neben der rechtlichen Ausgestaltung der Einwanderungsgesetzgebung im Zielland ein Bündel weiterer Faktoren entscheidend sei, etwa die im Zielland gesprochene Sprache, bestehende Kontakte zu Familienangehörigen oder Freunden, individuelle Verdienstmöglichkeiten u.a.m.

In der anschließenden Podiumsdiskussion unter dem Motto „Reform oder Revolution? Möglichkeiten und Gestaltungsspielräume eines Einwanderungsgesetzes“ diskutierte der SVR-Vorsitzende gemeinsam mit Annelie Buntenbach, Mitglied des Bundesvorstands beim Deutschen Gewerkschaftsbund, Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, und der migrations- und integrationspolitischen Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Filiz Polat, die Frage, welche Verbesserungen ein Einwanderungsgesetz für den deutschen Arbeitsmarkt bringen könnte. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion durch Gerhard Schröder vom Deutschlandradio.

Die Vorschläge des SVR wurden auf dem Podium sehr positiv aufgenommen. Alle Beteiligten waren sich einig, dass Reformen im Einwanderungsrecht mit Blick auf beruflich qualifizierte Fachkräfte nötig sind. Staatssekretär Mayer stellte heraus, dass die Bundesregierung bereits an einem Entwurf für das im Koalitionsvertrag angekündigte Fachkräftezuwanderungsgesetz arbeite. Frau Polat verwies dazu auf den Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz, der von ihrer Fraktion bereits in der letzten Legislaturperiode vorgelegt wurde. Herr Clever begrüßte die SVR-Vorschläge und unterstrich, dass bei einer Flexibilisierung des Gleichwertigkeitsnachweises Vorqualifikationen berücksichtigt werden sollten. Mittels Nachqualifizierungen im Inland solle dann das deutsche Niveau erreicht werden. Frau Buntenbach betonte, dass die Zuwanderung aus Drittstaaten nicht zulasten der Qualifizierung und Unterstützung potenzieller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Inland gehen dürfe.

In der Diskussion standen zwei Aspekte im Vordergrund: die Bedeutung der praktischen Umsetzung von Regelungen und die Frage, ob in Ergänzung zum derzeitigen Rechtsrahmen ein Punktesystem eingeführt werden sollte. In Hinblick auf die Umsetzung und Anwendung des Rechts wurde deutlich, dass sowohl bei den Verfahren zur Anerkennung von Qualifikationen als auch bei den Verfahren zur Erteilung von Visa und Aufenthaltstiteln noch hoher Verbesserungsbedarf besteht. So würden langwierige und intransparente Prüfverfahren Anwerbungen behindern und Unternehmen ebenso wie potenzielle Zuwanderer und Zuwanderinnen abschrecken. In den jeweiligen Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen fehle bisweilen das nötige Wissen, um Qualifikationen zu bewerten; zudem herrsche zum Teil eine Kultur der Abwehr vor. Eine Gesetzesänderung allein sei daher nicht ausreichend, vielmehr müssten die Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden.

Für ein Punktesystem sprach sich Frau Polat aus. So solle neben der derzeitigen arbeitgebergesteuerten Zuwanderung, bei der ein Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitsgeber vorausgesetzt wird, ein angebotsorientiertes System eingeführt werden, das Personen, die festgelegte Kriterien erfüllen, auf transparente Weise die Zuwanderung ermöglicht. Prof. Bauer wies darauf hin, dass zwar auch das „Nimm 2+“-Modell in Form eines Punktesystems umgesetzt werden könne, warnte aber gleichzeitig davor, dass die unterschiedliche Gewichtung einzelner Kriterien zu unbeabsichtigten Ergebnissen führen könne. Er plädierte dafür, angesichts des ausgeprägten Wohlfahrtsstaats in Deutschland die Zuwanderung zur Arbeitssuche nur befristet zuzulassen. Auch Herr Clever sprach sich gegen eine Zuwanderungsoption ohne Arbeitsvertrag und damit gegen ein Punktesystem aus, da dies zu einer Belastung der Sozialsysteme führen könne. Eine Arbeitssuche solle nur möglich sein, wenn der eigene Lebensunterhalt gedeckt ist. Frau Buntenbach unterstrich, dass durch die Voraussetzung des Arbeitsvertrages jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern entstehen dürfe. Es müsse möglich sein, die Arbeitsstelle zu wechseln oder auf Veränderungen in der persönlichen Lebenssituation zu reagieren, ohne gleich den Aufenthaltstitel zu verlieren. Um die Kontaktaufnahme zwischen Arbeitgeber und potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Ausland zu erleichtern, sollten besonders kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt werden, so Staatssekretär Mayer. Hier könnten die deutschen Außenvertretungen, aber auch Wirtschaftsverbände und Außenhandelskammern stärker tätig werden. Zudem spiele auch die Vermittlung der deutschen Sprache im Ausland eine Rolle.

Die Konferenz wurde in Kooperation mit der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung ausgerichtet.

 

Programm_Fachkonferenz zur Vorstellung des SVR-Jahresgutachtens 2018

Präsentation Prof. Bauer

Ein Blick in die Praxis – das Video zur Konferenz :

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