Positionspapier zur Weiterentwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts

Positionspapier | November 2023

Im August 2023 hat die Bundesregierung einen vom Bundesministerium des Innern und für Heimat erarbeiteten Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (StARModG-E) vorgelegt. Dieser wird ab dem 1. Dezember im Bundestag beraten. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) sieht im Entwurf das Potenzial, die Einbürgerungszahlen in Deutschland nachhaltig zu erhöhen.

Im Positionspapier erläutert der SVR, welche Chancen und Risiken mit der geplanten Weiterentwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts einhergehen. Durch die Verkürzung der für einen Anspruch auf Einbürgerung erforderlichen Aufenthaltsfristen sowie die Zulassung der Mehrstaatigkeit bei Einbürgerung werden zentrale Einbürgerungshürden beseitigt. Die unlimitierte Weitergabe doppelter Staatsangehörigkeit über Generationen hinweg wirft jedoch demokratiepolitische Fragen auf. Mit Blick auf das Einbürgerungskriterium der Lebensunterhaltssicherung empfiehlt der SVR, am Status quo festzuhalten: Der Bezug von Sozialleistungen ist dann kein Einbürgerungshindernis, wenn die betroffene Person die Inanspruchnahme nicht selbst zu vertreten hat. Der SVR befürwortet, dass das für die Anspruchseinbürgerung geforderte Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes um einen deklamatorischen Zusatz ergänzt wird, der u. a. antisemitisch oder rassistisch motivierte Handlungen explizit als Ausschlussgrund nennt. Er verweist jedoch darauf, dass der Zusatz weitgehend unbestimmte Rechtsbegriffe beinhaltet. Damit die mit der Reform bezweckte erleichterte Einbürgerung gelingen kann, ist es aus Sicht des SVR notwendig, die praktische Umsetzung mitzudenken. Nur wenn die Einbürgerungsbehörden entsprechend vorbereitet und adäquat ausgestattet werden, kann eine wachsende Zahl an Einbürgerungsanträgen zeitnah bearbeitet werden.

Racial Profiling bei Polizeikontrollen. Indizien aus dem SVR-Integrationsbarometer

Policy Brief | November 2023

Über diskriminierende Praktiken der Polizei wie das sogenannte Racial Profiling wird in Deutschland seit einigen Jahren diskutiert – wenn auch ohne eine belastbare, statistische Datengrundlage. Der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) hat nun anhand einer bundesweiten repräsentativen Umfrage erstmals den Zusammenhang zwischen wahrgenommener phänotypischer Differenz und Polizeikontrollen für Deutschland untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Als ausländisch wahrgenommene Befragte werden etwa doppelt so häufig von der Polizei kontrolliert als solche, auf die das nicht zutrifft.

Für den Policy Brief wurden Daten aus dem SVR-Integrationsbarometer 2022 ausgewertet. Für die vierte bundesweite repräsentative Erhebung wurden zwischen Ende November 2021 und Anfang Juli 2022 insgesamt 15.005 Personen mit und ohne Migrationshintergrund befragt.

Stellungnahme von Dr. Nils Friedrichs zur geplanten Änderung des Bundesvertriebenengesetzes

Stellungnahme | November 2023

Dr. Nils Friedrichs, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) gGmbH wurde eingeladen, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG) der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (BT-Drs. 20/8537) eine Stellungnahme abzugeben. Vor dem Hintergrund der im Jahr 2022 veröffentlichen SVR-Studie „Integration gelungen? Lebenswelten und gesellschaftliche Teilhabe von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern“ äußerte sich Dr. Friedrichs vor dem Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat aus soziologischer Perspektive. Dass im Gesetzentwurf ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch aber nicht ausschließlich durch eine Änderung der Volkszugehörigkeit in amtlichen Dokumenten (Nationalitätenerklärungen) wieder möglich sein soll, ist zu begrüßen. Die Änderungen in Bezug auf den Verlust von Spätaussiedlerbescheinigungen beseitigen die Gefahr, Fremdrentenansprüche zu verlieren, und könnten somit das Risiko für Altersarmut bei betroffenen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern reduzieren.

Die SVR-Studie "Integration gelungen? Lebenswelten und gesellschaftliche Teilhabe von (Spät‑)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern" finden Sie hier.

Neue Risiken prekärer Beschäftigung? Zu alten und neuen Instrumenten in der Erwerbsmigrationspolitik und was sie für den Arbeitnehmerschutz bedeuten

Kurzinformation | September 2023

Im Zuge der im Sommer 2023 vollzogenen Novellierung der Fachkräfteeinwanderung öffnet sich der deutsche Arbeitsmarkt für weitere Zielgruppen. Künftig haben auch ausländische Arbeitskräfte Zugang, die keine formale Qualifikation besitzen oder deren Qualifikation nicht als einer deutschen Ausbildung gleichwertig anerkannt ist. Damit wird eine entscheidende Hürde abgebaut: Die Anerkennungsverfahren haben sich in den vergangenen Jahren oft als kompliziert und langwierig erwiesen. Doch was bedeutet die beschlossene Deregulierung für den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern? Gerade ausländische Arbeitskräfte ohne formal anerkannte Ausbildung gelten als besonders vulnerabel. Die SVR-Kurzinformation diskutiert die vorgesehenen Schutzmaßnahmen und beschreibt, wie ausländische Arbeitskräfte ohne Qualifikationsnachweis vor prekären Arbeitsverhältnissen geschützt werden könnten.

Stellungnahme zum Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Migrations- und Integrationsangelegenheiten

Stellungnahme | August 2023

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) wurde eingeladen, Stellung zum Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Migrations- und Integrationsangelegenheiten zu nehmen. Nach Ansicht des SVR handelt es sich bei der im Entwurf vorgesehenen Neuregelung der bestehenden Zuordnung von Aufgaben und Zuständigkeiten im Bereich der Migrationsverwaltung auf Landesebene um eine überschaubare Umorganisation auf mittelbehördlicher Ebene des Landes; eine umfassende politikfeldbezogene Verwaltungsreform sei die geplante Reform nicht. Deshalb regt der SVR an, schon im Gesetzgebungsverfahren vorhandene Potenziale zu identifizieren und früher zu nutzen. So könnte das vorgesehene Thüringer Amt für Migration und Integration schon jetzt eine größere Rolle bei der verwaltungstechnischen Neuordnung übernehmen, etwa in den Bereichen Fachkräftemigration oder Einbürgerung.

Deutschland verbunden: Menschen mit Zuwanderungsgeschichte fühlen sich mehrheitlich zugehörig

Kurzinformation | August 2023

Im Rahmen einer Kurzinformation hat der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) Daten des SVR-Integrationsbarometers ausgewertet. Die Analyse zeigt, dass sich Zugewanderte und ihre Nachkommen mehrheitlich Deutschland zugehörig fühlen. Bisweilen erhobene pauschalisierende Vorwürfe einer „fehlenden Loyalität“ stimmen daher mit der empirischen Realität in der deutschen Einwanderungsgesellschaft nicht überein.

Die Daten zeigen erneut, dass Integration vor allem eine Frage der Aufenthaltsdauer ist. Denn für ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl müssen emotionale Bindungen und interkulturelle Kontakte aufgebaut und die deutsche Sprache erlernt werden – das braucht Zeit. Doppelte Bindungen an das Herkunftsland und an Deutschland schließen sich dabei nicht aus. Fast jede zweite Person mit Zuwanderungsgeschichte hat eine solche doppelte Bindung. Diskriminierungserfahrungen können dagegen zur Folge haben, dass sich Personen von Deutschland abwenden und marginalisiert werden.

Das SVR-Integrationsbarometer „Integrationsklima 2022: Leicht verbessert mit einzelnen Eintrübungen“ finden Sie hier.

SVR-Jahresbericht 2022

Jahresbericht | August 2023

Das Jahr 2022 begann mit einem höchst folgenreichen Ereignis: Russland startete im Februar seinen bis heute andauernden Angriffskrieg auf die Ukraine, der die größte Fluchtbewegung innerhalb Europas seit Ende des Zweiten Weltkriegs auslöste und zur erstmaligen Aktivierung der Richtlinie zum temporären Schutz durch die EU führte. Diese und weitere Entwicklungen begleitete der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) gemäß seinem Mandat, als unabhängiges Gremium Politik und Öffentlichkeit wissenschaftsbasiert zu beraten. Der vorliegende Jahresbericht gibt einen Einblick in Aufgaben und Arbeit des SVR und der ihn unterstützenden Geschäftsstelle. Dabei geht er u. a. auf das SVR-Jahresgutachten 2022 ein, das sich der Rolle von Migrantinnen und Migranten als Leistungserbringende und -empfangende im deutschen Gesundheitswesen widmet. Auch zentrale Ergebnisse aus dem SVR-Integrationsbarometer 2022 sowie Inhalte aus Forschungsprojekten des wissenschaftlichen Stabs des SVR werden erläutert. Dabei geht es etwa um Szenarien zur Entwicklung des künftigen Einbürgerungsaufkommens von syrischen Flüchtlingen sowie den Stand der Integration von (Spät‑)Aussiedlerinnen und (Spät‑)Aussiedlern. Auch Reformvorhaben der Bundesregierung wie zur Fachkräfteeinwanderung sowie zum Staatsangehörigkeitsrecht wurden vom SVR inhaltlich begleitet.

Jahresbericht – Download:

Integrationsmotor Kita. Wie gut ist die frühkindliche Betreuung auf den Normalfall Vielfalt eingestellt?

Kurzinformation | August 2023

Seit dem 1. August 2013 haben Kinder nach vollendetem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Dank des vollzogenen Ausbaus und zahlreicher Reformen wurden in der frühkindlichen Bildung deutliche Fortschritte erzielt. Auch die Sprachbildung für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte wurde in den vergangenen zehn Jahren ausgebaut. Und dennoch: Wie eine Kurzinformation des wissenschaftlichen Stabs zeigt, werden die Bedarfe zugewanderter Kinder noch nicht hinreichend berücksichtigt. Damit die Kita Integrationsmotor wird, muss der Kitazugang für die Zielgruppe verbessert und Maßnahmen zur Qualitätssicherung gezielter ausgerichtet werden.

Update: Flüchtlinge als Neubürgerinnen und Neubürger

Kurzinformation | Juli 2023

Immer mehr Menschen, die 2015/16 nach Deutschland geflohen und mittlerweile gut integriert sind, erfüllen die Voraussetzungen und lassen sich einbürgern. So erhielten im Jahr 2021 bundesweit 19.100 syrische Staatsangehörige den deutschen Pass – fast dreimal so viele wie im Jahr zuvor. Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) Projektionen des Einbürgerungsaufkommens für die nächsten Jahre entwickelt.

Die Berechnung auf Grundlage von Daten aus der Einbürgerungsstatistik 2020, die im Jahr 2022 in einem Policy Brief veröffentlicht wurde, zeigt, dass insbesondere bis 2024 erhebliche Steigerungsraten bei den Einbürgerungen von Syrerinnen und Syrern zu erwarten sind. Diese Annahmen wurden im Rahmen einer Neuberechnung des Modells mit Zahlen aus der Einbürgerungsstatistik 2021 bestätigt, das als Update der Veröffentlichung zur Verfügung steht. Demnach ist nicht nur weiterhin mit erheblichen Steigerungsraten zu rechnen. Der „Einbürgerungsboom“ tritt auch früher ein als noch 2022 prognostiziert. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Behörden entsprechend hohe Antragszahlen auch ohne massive Verzögerungen bewältigen können. Im Policy Brief benennen die Autoren dazu Handlungsnotwendigkeiten, wie ein ‚Einbürgerungsstau‘ vermieden werden könnte. Zentral ist dabei eine personelle Aufstockung in den Einbürgerungsbehörden. Auch eine weitere Digitalisierung bietet Möglichkeiten, dem steigenden Einbürgerungsinteresse gerecht zu werden.

Den dazugehörigen Policy Brief "Flüchtlinge als Neubürgerinnen und Neubürger. Das Potenzial der nächsten Jahre" sowie weitere Informationen finden Sie unter diesem Link.

Vom Annex zum eigenständigen System: Zur Aufwertung der Chancenkarte (§ 20a AufenthG) im Zuge der Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Kurzinformation | Juli 2023

Mit der im Sommer 2023 beschlossenen Reform der Erwerbsmigration wird eine sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eingeführt. Sie bündelt und erweitert die Optionen für Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland einzureisen. Zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses noch vielfach kritisiert, haben sich die Regelungen bis zur Verabschiedung der Reform durch den Bundestag deutlich geändert. Im Rahmen einer Kurzinformation hat der wissenschaftliche Stab des SVR die Änderungen analysiert und festgestellt: Die Chancenkarte hat als Instrument des Erwerbsmigrationsrechts dadurch erheblich an Bedeutung gewonnen.